Fotogruppe Objektiv

Äpfel und Birnen: Vollformat und MFT

Darüber wurde schon so viel geschrieben, jetzt auch noch hier? Fachzeitschriften greifen das Thema ständig auf, alle Kamerahersteller die Vollformat im Angebot haben beschwören bei jeder Gelegenheit die Vorteile ihrers Systems. Mehr Megapixel, höhere ISO bzw. weniger Rauschen, mehr Dynamikumfang - die klar bessere Kamera bei kaum größerem oder schwererem Gehäuse. Dazu kommt, das Bokeh und Schärfentiefe der Objektive angeblich nicht vergleichbar sind. Ganz zu schweigen von den überwältigen Qualitäten der Profi-Boliden.

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Niemand käme bei verschiedenartigen Hämmern ein direkter Vergleich in den Sinn. Jeder hat seine Aufgabe, ist für seinen spezifischen Verwendungszweck gebaut und für etwas anderes weniger geeignet. Und klar, auch bei gleichem Verwendungszweck gibt es gute und schlechte Produkte. Hämmer die gut in der Hand liegen und mit denen die Arbeit Spaß macht und welche, mit denen es einfach nicht klappen will.

Und die guten haben Gebrauchsspuren, die schlechten sehen oft nach Jahren noch neuwertig aus, weil sie nicht gebraucht wurden. Nur die ganz schlechten sind nach kurzem Einsatz verschwunden. Weil defekt oder verschenkt.

 

Zurück zum Fotografiern - was bedeutet der Unterschied in meiner Praxis?

Fangen wir mit der Frage an - wieviel Megapixel brauche ich, brauchen wir?

Ich fotografiere häufig Portraits und gebe diese weiter. Weil es so einfach ist, über eine Cloud und dabei als verkleinertes JPG mit 2500 oder 3500 Pixel an der langen Kante - einer Datei die für Vergrößerungen bis etwa A4 reicht (abhängig von den Ansprüchen an die Qualität) und noch flott übertragen werden kann. Auch wenn viele der Empfänger begeistert sind, kaum jemand fragt nach einer größeren Datei. Schade, wo ich doch 45 MP habe...

Im Fotoclub haben wir bei unserer ersten Ausstellung mit digital fotografierten Aufnahmen in A3 oder A3Puls bzw. 30x45 cm vergrößert und waren von der Qualität der 6 MP Kamera begeistet - deutlich besser als jeder KB-Film und oft besser als das Mittelformat. Heute drucken wir die 20 MP Dateien problemlos auf A2 und sind vollauf zufrieden. Zwar fehlt mir die Erfahrung aus mehreren Vergleichen des gleichen Motives mit unterschiedlichen Kameras, gedruckt in unterschiedlichen Größen, aber ich behaupt mal erst deutlich größer als A2 sieht man einen Unterschied. Viel wichtiger sind die Qualität des Objektives und bei dieser Größe eine verwackelungsfreie Aufnahme sowie eine hochwertige "Entwicklung" / Bildbearbeitung.

20 MP reichen fast immer - mehr zu haben ist gut für enorme Ausschnitte. Beschneiden geht aber auch bei 20 MP und weniger und postergroße Ausdrucke sind dennoch möglich. Keine Frage - wenn sie regelmäßig größer als A2 drucken und ihre Kunden auf eine bestimmte Dateigröße bestehen und dafür bezahlen macht das Sinn. Wenn das ihr Problem ist, dann müssen sie tief in die Tasche greifen. Wollen sie einfach mehr MP und der Preis ist egal - auch dann muss es wohl sein. Und dann wären wir wohl beim Vollformat.

 

Und die ISO?

Die modernen Kameras und das Entrauschen aktueller Bildbearbeitungsprogramme ermöglichen die Nutzung enorm hoher ISO. So können wir Aufnahmen in Situationen machen, die früher einfach unmöglich waren. Selbst wenn dann ein geringes Bildrauschen auftritt - ist das dramatisch? Oder passt das Rauschen zum Motiv und zur Situation?

In vielen Fällen benötigen wir für eine gute Aufnahme gutes und ausreichendes Licht. Ist es nicht da, helfen wir mit Blitz oder Dauerlicht nach. Die ISO einer aktuellen MFT reicht mir aus, mehr benötige ich nicht. Aber ich habe mit meiner Nikon DSLR und ISO 200 in extrem schwierigen Lichtsituationen Aufnahmen gemacht, die -glaube ich zumindest- mit einer MFT nicht möglich gewesen wären.

Sportfotografen, Tierfotografen und andere sehen das sicherlich ganz anders - sie benötigen oft enorm hohe ISO um bei schwachem Licht und kurzen Belichtungszeiten arbeiten zu  können. Für bestimmte Aufnahmen in höchster Qualität ist Vollformat erste Wahl.

 

Die Bedienug der Kamera

Ich mag eigentlich die großen und schweren Gehäuse, sie liegen gut in der Hand und gerade bei längeren Telebrennweiten fühlt sich diese Kombination ausgewogen an. Sie scheint auch ruhiger in der Hand zu liegen. Der AF ist gut, Sucher und Display ebenso. Die Knöpfe sind da wo sie hingehören, gut zu finden und zu bedienen - eigentlich ist das alles ideal. Eigentlich.

Meine neue Olympus ist anders, kleiner und leichter. Alles ist deutlch handlicher. Mit einem LKW navigiert es sich nicht so leicht um die Ecken wie mit einem Stadtauto und mit der kleineren Kamera ist man irgendwie auch beweglicher und flexibler. Reine Geschmacksache.

Letztendlich hat aber jeder Kamerahersteller seine Philosophie bezüglich der Handhabung. Ist diese gut gemacht, kommt man damit klar und alles andere ist schlechter. Ich halte es für eine subjektive Beurteilung ohne Vor- oder Nachteile der verschiedenen Systeme.

Jedoch fällt es mir nicht leicht, mit zwei unterschiedlichen Kamerasystemen zu arbeiten. Gerade wenn es schnell gehen soll, möchte man seine Kamera auch blind bedienen können. Darum haben viele Profis zwei gleiche Gehäuse. Zwei unterschiedliche Kamerasysteme - das kann Sinn machen, aber auf jeden Fall ist es eine Herausforderung. Für den einen mehr, für den anderen weniger.

 

Das Image

Wer beeindrucken will, ist mit einem dicken Profi-Gehäuse gut bedient. Und die unwissenden Kunden sind beeindruckt und wissen längst, das diese Kamera klasse Bilder macht. "Das sieht man sofort". Und mit einer anderen wäre es vermutlich ganicht möglich gewesen.

Wer's braucht, greift zum Vollformat. Und die "nicht Fotografen" wissen beim Betrachten deiner Bilder sofort warum du so tolle Fotos machst - es ist die Kamera!

 

Die Linsen. Die Kilos.

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Viel wird über die deutlich kleineren Kameras geschrieben, aber der Gewichtsvorteil liegt bei den Linsen. Sie sind deutlich kleiner und leichter. Zweifelsfrei.

MFT ist nicht generell günstiger, aber eine lichtstarke 600er Festbrennweite für Vollformat und ein 300er für MFT liegen preislich weit auseinander.

Nun könnten wir uns über die bessere Bildqualität, über Schärfe, Schärfentiefe und Unschärfe, über Bokeh und wer weiß was unterhalten. In meinen Augen können mit guten Linsen in beiden Systemen herausragende Aufnahmen gemacht werden. Es ist die Idee des Fotografen, die das gute Bild ausmacht, nicht das verwendete Werkzeug.

 

Ja, es gibt Unterschiede, aber erst bei wirklich großen Ausdrucken. Und ich glaube bei den allermeisten Aufnahmen wird niemand sicher und exakt sagen können, mit welchem Objektiv und welchem System diese Aufnahmen gemacht wurden.

 

 

Bei einigen Arbeiten, zum Beispiel im Bergsport, zählt jedes Gramm Ausrüstung. Vielen Fotografen fällt es schwer, eine schwere Ausrüstung zu tragen. Nicht nur im Alter.

 

War da noch etwas?

Ja, fast hätte ich es vergessen. Viele Hersteller konzentrieren sich auf das wesentliche - einen sehr guten Chip, exakte Belichtungsmessung, einen extrem schnellen und sicheren Autofokus. Bei dem einen schon sei längerem, beim anderen etwas später kam Video hinzu. Stacking nicht zu vergessen.

Schauen sie mal bei OM-Systems / Olympus vorbei, was dort den Kameras alles mitgegeben wird. Stacking aus der freien Hand, AF für die Sternenfotografie, besondere Funktionen für das Lightpainting, Aufahmen mit hoher Auflösung vom Stativ und aus freier Hand, TimeLapse. Mir scheint es, als seien diese "Randbereiche" für Firmen wie Nikon, Sony und Canon nicht interessant und kein ausreichender Markt. OM nimmt sich diesen Kunden gern an. Ich kenne Fotografen, die haben aus einem der vorgenannten Gründe eine OM / Olympus gekauft.

Zurück zum Hammer: Willst Du, wollen sie Schlosserarbeiten machen oder sind sie Zimmermann? Dann wissen wissen wir, welchen Hammer sie haben. Welches Kamerasystem Sie brauchen, weiß ich nicht. Ich hoffe, dieser Vergleich hilft bei den Überlegungen "was will ich machen, und was benötige ich dafür". Und weil das Thema so umfassend ist und für jeden verschieden sein kann, kann der Beitrag nicht vollständig und nicht abschließend sein - dafür bitte ich um Nachsicht.